Nein, liebe Leserinnen und Leser, ich möchte mich nicht von Ihnen verabschieden. Ich möchte vielmehr dem Wortsinn von wohl seinund wohl lebennachspüren. Denn es scheint mir, dass es anderes bedeutet „Lebe wohl!“ zu sagen als „Mach’ es gut!“, ganz zu schweigen von dem inflationär gebrauchten „Alles gut“ auf die Frage wie es uns gehe.
Die afghanische Grußformel „Zenda bashi“ bedeutet „Leben möge sein“ oder auch „Sei gesund“. Wie schön, so verabschiedet zu werden …, obwohl dieser Gruß auch in Afghanistan als etwas antiquiert gilt und seltener gebraucht wird als das kurze „Salam“. Der englische Begriff “well-being“ meint Wohlergehen, auch im Sinne von Gesundheit und ‚es gut haben’, bis hin zum Wohlstand als einem ganzheitlichen – nicht bloß materiellen – Zustand.
Doch blicken wir wieder auf die deutsche Sprache: Wie viele Worte mit der Silbe wohlhaben wir doch! Wohlwollen, Wohlbehagen, wohlig, „Zum Wohlsein“, „Gehabt euch wohl!“, Wohlbefinden, die Wohlfahrt, der Wohlfühlfaktor … die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Beteiligen Sie sich doch selbst an dieser Wortsammlung!
Was sollen wir nun mit diesen, zum Teil etwas altmodisch klingenden Wörtern anfangen? Sie scheinen etwas mit „richtig machen“ zu tun zu haben, jedoch nicht richtig nach geltenden Regeln, sondern richtig im Sinne dessen was sich gut anfühlt. Die Corona-Krise kann uns Anlass sein, herauszufinden wie wir eigentlich leben wollen. Viele sagen, dass sie die Entschleunigung in diesen Wochen als besonders wohltuend empfinden. Sie können Dinge langsamer tun, mit mehr Pausen, und besser auswählen, was sie tun. Zugegeben, für eine Person mit Kindern im Homeoffice, der außer der täglichen Fahrt zur Arbeit nichts erspart bleibt, trifft das weniger zu – doch lassen auch Sie sich auf den Gedanken ein: Es ist ein Aussteigen aus der Beschleunigung, aus dem immer schneller, immer mehr, immer vernetzter, pausenlos. Es scheint uns wohl zu tun, wenn wir Pausen machen können, wenn sich das Leben im Wechsel von Anspannung und Entspannung rhythmisiert, und wenn wir einmal die Möglichkeit haben zu warten, bis die Idee zur nächsten Aktion kommt.
Ich möchte dir sagen / wir mussten anhalten. / Wir haben es gewusst. / Wir alle haben gespürt / unser rasendes Tun war am Ende / ständig mit Sachen beschäftigt / die alle außerhalb von uns sind / jede Stunde durchzurütteln / um alles aus ihr rauszuholen.
Aus dem Gedicht „Neunter März Zweitausendzwanzig“ der italienischen Lyrikerin Mariaangela Gualtieri. Quelle: der Freitag, Nr. 13, 26. März 2020, Seite 8.
Und was kommt dann? Vielleicht Erkenntnisse darüber, was ich zu meinem Wohl brauche und wie viel davon. Wenn wir es zulassen, tritt eine Art Nachjustierung ein, z.B.
Finden wir heraus, was zu uns passt und was das richtige Maß ist – und werden wir gemeinsam etwas klüger durch die Krise! Der Erfahrbare Atem hilft bei der Rhythmisierung unseres Lebens und beim Auffinden des rechten Maßes. Ich freue mich schon sehr darauf, Sie bald wieder oder zum ersten Mal in meiner Praxis begrüßen zu können. Zum Schluss möchte ich noch einmal M. Gualtieri zu Wort kommen lassen:
Zu der einfachen Geste des Händereichens werden wir mit einem erweiterten Verständnis zurückkehren / wenn wir wissen, wie traurig es ist, einen Meter entfernt zu sein.
Quelle: a.a.O.