Neulich bekam ich eine Adventskarte geschenkt. Darauf stand „Advent: Warten, dass es anders kommt als erwartet“. Spontan fand ich das sehr passend für die aktuelle Situation. Wir befinden uns ja quasi in Wartestellung: Vordergründig hätten wir gerne, dass alles wieder wird wie es war, doch intuitiv spüren wir, es muss anders werden. Aber wie? In der Zeit des Wartens kann Neues entstehen, neue Ideen, neue Prioritäten, neue Wege … .
Durch die Einschränkungen unserer sozialen Kontakte und Aktivitäten sind wir sozusagen zur Unzeit in die Zeit der Rauhnächte katapultiert worden, in die Zeit, die in unterschiedlichen Traditionen die Nächte zwischen der Wintersonnenwende am 21. Dezember und dem 6. Januar bezeichnet. Sie ist die große Pause im Rhythmus des Jahres, eine Zeit zum Innehalten und zur Freiheit vom Tätigsein. Diesen Gedanken greife ich mit meinem Blogartikel „Atmen zu den Rauhnächten“ auf. Die beiden geplanten Veranstaltungen müssen leider ausfallen.
Am 23. Dezember (3. Rauhnacht 23./24.12.) wäre es um den Leitgedanken des Ankommens gegangen, um das zur Ruhe kommen und stille sein. Welche Erwartungen steigen auf, wenn sich der Raum der Stille öffnet? Wünsche, dass etwas eintreten möge, wie wir es kennen und lieben (z.B. das Weihnachtsfest)? Die Sehnsucht nach dem Ende der Gesundheitskrise, die uns so sehr bindet und lähmt? Oder zeigt sich etwas ganz anderes, woran wir gar nicht dachten? Am „Leitseil des Atems“ (I. Middendorf) hätten wir versucht, es herauszufinden.
Ein Leben ohne Kino, Theater, Kneipen und öffentliches Leben, viel Zeit alleine oder im engsten Familienkreis verbringen und generell nur eingeschränkten Bewegungsspielraum haben – diese und andere Erfahrungen aus den beiden Lockdowns haben das Jahr 2020 geprägt. Wir werden sie mitnehmen in das Neue Jahr und vermutlich werden sie auch die Verfassung bestimmen, in der wir 2021 beginnen werden. Am 30. Dezember (10. Rauhnacht 30./31.12.) wäre es um die Frage gegangen, wie wir trotz allem Weite empfinden können. Die Übungen aus dem ‚Erfahrbaren Atem’ können hier wegweisend sein. Sie erschließen innere Räume für den Atem – das befreit. Sie lassen uns die Füße vom Boden getragen wahrnehmen – das gibt Sicherheit. So können wir uns leichtfüßig in neue äußere Räume bewegen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht. Anregungen dies zu erfahren hätte es beim zweiten Termin gegeben.
So bleibt mir nur die folgende Empfehlung: Setzen Sie sich in Ruhe hin und nehmen Sie wahr, dass Sie atmen. Lassen Sie den Einatem kommen und den Ausatem gehen – von selbst – und warten Sie, bis der neue Einatem wieder kommt. Dieses Warten ist eine sehr besondere Erfahrung. Ich wünsche Ihnen und uns ein frohes Üben!